Wie entstehen transformative Selbsterzählungen?

Wie entstehen transformative Selbsterzählungen?

Newsletter

Aus den Bruchstücken des alten und zerfallenden Narrativs entsteht eine neue Erzählung. Das Erzählen der eigenen neuen Lebensgeschichte befreit die traumatisierte Person aus der traumabedingten Erstarrung, Hilflosigkeit und Machtlosigkeit, aus dem Gefühl des „Vom-Schicksal-Überwältigtseins“…


Inhaltsverzeichnis

In meinem vorletzten Newsletterbeitrag schrieb ich:

„Geschichten prägen also die menschliche Gesellschaft und jeden Menschen in ihr. Durch Geschichten werden Gemeinschaften formiert und Taten motiviert und begründet. Unsere Handlungen und die Ereignisse unseres Lebens interpretieren und bewerten wir durch unsere Erzählungen über diese.“

Wie können wir also zur neuen und befreienden narrativen Identität, die aus der Wirrwarr und der traumatischen Taubheit befreit, durch Erzählen gelangen? Wie kommen wir also zur befreienden Selbsterzählung?

Ein einfacher und erprobter Weg

Wie jeder zur Vernunft erwachte Mensch sprechen kann, so kann auch jeder Mensch schreiben — jedenfalls im Prinzip. Nach der Ganas-Methode ist es nicht schwer, zur eigenen Erzählung zu gelangen. Der Entstehungsgrund der Selbsterzählung liegt also erst einmal bei der Person selbst und nicht bei anderen Menschen. Später möchte die narrative befreite und heilgewordene Person natürlich anderen Menschen durch ihre eigene Erzählung Kraft und Hilfe vermitteln…

Aus den Bruchstücken des alten und zerfallenden Narrativs entsteht eine neue Erzählung. Das Erzählen der eigenen neuen Lebensgeschichte befreit die traumatisierte Person aus der traumabedingten Erstarrung, Hilflosigkeit und Machtlosigkeit, aus dem Gefühl des „Vom-Schicksal-Überwältigtseins“. Durch die dann entstehende neue narrative Identität lichtet sich der traumatische Nebel, denn die traumatischen Ereignisse erhalten durch die neue Lebenserzählung einen Sinn. Die neue Sinngebung vollzieht sich hierbei, ohne dass durch sie das geschehene Unrecht oder Verbrechen bagatellisiert wird.

Wie entsteht eine befreiende Erzählung?

Nachfolgendes Schaubild fasst synoptisch die einzelnen Etappen der Ganas-Methode zusammen.

In fünf Schritten zur neuen narrativen Identität

  1. Nach der Ganas-Methode entstehen mittels der bewährten Zettelkastenmethode (= digitales zweites Gehirn) über mehrere Wochen / Monate viele einzelne Erzählungsbausteine. In einem kontinuierlichen Abstand, z.B. jeden Tag für 15min, werden Antworten als einzelne Notizzettel in den digitalen Zettelkasten geschrieben (hier empfiehlt sich die modere und für den Privatanwender kostenlose Zettelkastensoftware Obsidian) Die Erzählbausteine antworten also auf spezifische psychologisch befreiende Schreibanregungen. Nachfolgendes Bild verdeutlich die Themen, um die sich die Fragen als Schreibanregungen z.B. drehen können.
  1. Innerhalb des digitalen Zettelkastens werden die einzelnen Erzählbausteine miteinander verknüpft, wodurch neue Ideen und vielleicht bislang verborgene Sachverhalte an das Tageslicht befördert werden können. Dieser Vorgang wird als Verzettelung bezeichnet und macht sich auch, aber nicht nur, den Zufall zu nutze. Jeder einzelne Punkt im nachfolgenden Bild ist eine einzelne digitale Notiz…
  1. Nachdem über Wochen / Monate auf die Fragen und Schreibanregungen hin immer neue digitale Zettel mit immer mehr Verknüpfungen (thematischen Verlinkungen) untereinander entstanden sind, können die digitalen Notizen thematisch, z.B. durch Schlagworte, geordnet und sortiert werden. Hierdurch entstehen übergeordnete Teilerzählungen.
  1. Die übergeordneten Teilerzählungen werden klassischen Erzähltypelementen, wie z.B. Konflikte, dramatische Handlungen, Schwierigkeiten, die überwunden werden, herausfordernde Begegnungen etc. zugeordnet.
  1. Schließlich wird der Haupterzählarchetyp (z.B. Überwindung des bösen Monsters…) des neuen Narrtivs bestimmt und die einzelnen, im vorigen Schritt zugeordneten Erzähltypelementen, werden in einer Art und Weise, die erzählerische Spannung aufbaut, in den passenden Erzählarchetyp eingegliedert.

So kann das neue Narrativ erfolgreich kreiert werden und seine ungeahnten, verwandelnden und befreienden Kräfte bei der erzählenden Person und bei den Zuhörern bzw. Lesern entfalten. Durch die neue narrative Identität, die sich die ehemals traumatisierte Person gibt — findet sie neuen Trost und Halt trotz und wegen ihrer schweren Erfahrungen. Ihr Leben hat einen neuen Sinn. Hierdurch hat die nun befreite und heilgewordene Person eine wirkmächtige Transformation vollzogen.